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Stephen King – On Writing

Stephen King - On Writing

Stephen King – On Writing #23 Der Rat eines Experten

5. April 2014
Der Rat eines Experten

Warum hat King On Writing überhaupt geschrieben? Ich meine, warum schreibt ein erfolgreicher Autor ein Buch darüber, wie man schreiben soll/kann/muss? Im letzten Jahr hatte ich das Vergnügen, mit einem Geschäftsexperten zu sprechen. Ich durfte ihm eine Frage stellen, die mich bewegt und bekam – den Rat eines Experten.

Meine Frage war: “Wie kann ich mehr Leser mit meinen Büchern erreichen?”

Seine Antwort war simpel: “Wenn du mehr Leute erreichen willst, solltest du die Qualität senken.”

Sorry? Ich arbeite Jahrzehnte an meiner Sprache, meinem Stil, damit ich dann meine Qualität senke? Nachdem ich vergeblich versucht habe, ihn davon zu überzeugen, dass es noch einen anderen Weg gibt, kam ich mit meinem stärksten Argument:

“Das kann ich nicht machen. Ich stehe mit meinem Namen für eine gewisse Qualität.”

Lapidare Antwort: “Dann nimm dir doch einen anderen. Ein Pseudonym.”

Verstehe: Ein pseudonym. Wie wäre es mit: Catherine Bongé (historische Liebesromane aus Frankreich) oder Kate Bonnet (Zeitgenössische Liebesromane  aus Amerika). Ich habe einige Tage gebraucht habe, um mich von diesem Ratschlag zu erholen. King war da wohl nicht so empfindlich, er hatte mindestens zwei Pseudonyme: John Swithen und Richard Bachman. (Und reden wir besser nicht über die Bücher, die er unter diesem Pseudonym geschrieben hat.)

Pseudonym

Warum will man anders heißen, wenn man KING heißt? Nun, King hat “On Writing” sicher nicht geschrieben, um sich selber etwa beizubringen, er kann schreiben. Aber wissen das auch alle? Denn in Buchkreisen heißt es eben auch (siehe oben) gerne: Was sich so gut verkauft, kann nicht gut geschrieben sein. Also ging es bei “On Writing” für King nicht um große Buchverkäufe oder dem üblichen Erfolg, sondern um die Anerkennung bei Literaturkenner und Experten. Den Leuten, die etwas vom Schreiben verstehen. Denen wollte er erklären, dass er sehr wohl den Unterschied zwischen gut und schlecht kennt und dass er – wenn er will – auf höchstem Niveau schreiben kann. Stimmt. Ein ganzes Buch um den Beweis anzutreten.

Und was mache ich? Vielleicht hat der Experte ja recht, aber ich werde meine Qualität nicht senken. Und ich werde mich auch nicht in verschiedene Schreibpersönlichkeiten zerlegen, das erinnert mich an Horkruxe. Wenn der Experte also recht hat, dann liebe Leser, willkommen in meiner kleiner exklusiven Leserschaft. Für euch schreibe ich. Und vielleicht auch um den Experten – nun – zumindest teilweise zu widerlegen.

 

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Stephen Kings “On Writing” #22 Kill your darlings

6. März 2014
Kill your darlings

Kill your darlings ist vermutlich der Satz, den ein Drehbuchautor sich am meisten anhören muss, wenn er mit Produzenten oder Redakteuren zusammen arbeitet. Drehbuchautoren hätten da auch noch einen anderen Vorschlag: Kill the producer …  Und ja, richtig, auch der hat seine Berechtigung.

Ich finde diesen Satz jetzt natürlich auch im nächsten Kapitel von Stephen Kings “On Writing”. Nach all den Überlegungen von King zu Sprache und Charakteren und Dialog und Schreiborten und Pensen ist nun nämlich alles auf dem Tisch und – wie sagt es King so schön:

“You should use anything that improves the quality of your writing and doesn’t get in the way of your story.”

So leicht wie Backen

Okay, das hört sich so an, als ob jemand einen Haufen Backuntensilien auf den Tisch wirft und sagt: Mach mal! Und erinnert mich an meinen Vater, der, als er anfing zu kochen, schon bei “trenne ein Ei” scheiterte: “Wieso steht dann da nicht wie?” Nun, ich kann backen. Bei King geht es ja auch schon um das Schreiben für Fortgeschrittene.

Also zurück zu Kill your darlings, was dafür steht, dass man sich als Autor so gerne in schöne Worte, Sätze, Charaktere oder Dialogpassagen verliebt und übersieht, dass sie der ganzen Geschichte nicht nützen oder sogar schaden. Oder einfach überflüssig, pathetisch oder zu dick aufgetragen sind. Adjektive. Wie “blutjung” oder “wunderschön”oder “herzzerreißend”. Wie “verschmitzt”, mein persönliches Hassadjektiv, da es veraltet und betulich ist. Weg damit. Sofort. Oder Phrasen wie: “Sich tief in die Augen sehen”, “Fluchen wie ein Bierkutscher”, “Stein und Bein schwören”, “Seinen Gedanken nachhängen”. Umbringen. Auf der Stelle.

Warum? Weil sie nichts Neues erschaffen, sondern einfach nur so klingen, wie … Phrasen. Etwas, das Schriftsteller nicht benutzen sollten. Weil Schriftsteller so heißen, weil sie Schrift stellen und zwar individuell und kreativ und so, dass im Kopf des Lesers ein neuer Kosmos entsteht. Und bei “sie sahen sich tief in die Augen” sind wir auf Soap-Niveau. Nicht neu, sondern immer wieder das schon Bekannte.

Oder wunderbare Passagen, die nichts zur Handlung beitragen. Einfach nur selbstverliebte Gedankenspiele sind.

Etwas Neues erschaffen

Es geht aber darum, etwas wirklich Neues zu schreiben. Und das Schöne daran ist:

“There is absolutly no need to be hidebound and conservative in your work …” (King)

Kurz und auf deutsch gesagt: Du als Autor hast die Freiheit, dein Schreiben zum Besten und Außergewöhnlichsten zu machen, was dir möglich ist. Rock and Roll, baby. Negative Erfahrungen eingeschlossen.

Als ich meinen ersten Rührkuchen gebacken habe und das Rezept las, stand da: Mehl, Mondamin, Eier, Milch etc. Ich dachte mir: Verdammt, Mondamin habe ich nicht, aber es scheint etwas wie Vanillepulver zu sein. Verzichtbar. Und habe es weggelassen. Der Kuchen wurde ein Block aus Eiern und Mehl und schwamm in Butter. Ungenießbar. Und faszinierend. Vanillezucker – verzichtbar, Mondamin – essentiell. Kill your darlings … aber nicht den ganzen Kuchen.

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Stephen Kings “On Writing” #21 Charaktere

8. Januar 2014
Charaktere erschaffen

Ich finde, das Erschaffen eines Charakters ist das Schwierigste beim Schreiben. Der Moment, in dem man sich am weitesten öffnen muss und am allerleichtesten seiner eigenen Eitelkeit erliegt. Da sagen dann die Charaktere coole Sachen (die man gerne mal loswerden will) oder machen coole Dinge (die man sich selber nicht traut). Je jünger oder naiver die Leser, desto eher kommt man damit durch, aber die Leser, die man sich wünscht, sind nicht naiv und die jüngeren Leser werden älter. Man will ja schließlich als Autor – bleiben. Was sagt denn King so dazu?

“Paying attention to how the real people around you behave and then telling the truth about what you see.”

Wahrhaftigkeit

Hallo, da ist sie wieder: Die Wahrheit. Oder Wahrhaftigkeit. Das heißt dann wohl, sich bei seinen Protas nicht bei Seriencharakteren aus Film- und Fernsehen zu bedienen, sondern nach etwas Originellerem Ausschau zu halten. Klichees?

“In that case I lose bigtime, and so does the reader.”(King)

Bigtime klingt für mich genau nach der Zeit, die ich beim Lesen und Schreiben haben möchte. Und die ich dem Leser geben möchte. Bigtime heißt auch, so gut zu schreiben, dass die Charaktere real werden, man fast das Gefühl hat, es gibt sie wirklich. Ein Grund warum ich nicht so gerne über Elfen, Zauberer und Feen schreibe, da man selten erwartet, dass sie ins Zimmer marschieren. Allerdings setzt man sich dadurch auch stärker der Kritik der Leser aus, die nie sagen: Eine solche Elfe gibt es doch gar nicht, bei realen Charakteren aber ständig behaupten, dies oder das wäre unrealistisch.

Every character you create …

King erzählt in “On Writing”, dass seine erfolgreichste (wenn man den Erfolg an der Rückmeldung der Leser misst) Eröffnungsszene die von “The Dead Zone” ist. (Es gibt eine Kinoadaption und eine Serie nach Kings erstem Hardcover-Bestseller). Die Leserrückmeldungen waren überdurchschnittlich und sehr unterschiedlich. Da gibt es den Hauptcharakter, Greg, der einen Hund übel behandelt. Die Leser beschwerten sich über Gregs Brutalität. Worauf King antwortete: a) Greg ist nicht real b) der Hund ist nicht real c) Ich (King) habe noch nie in meinem Leben einen Hund schlecht behandelt.

Wichtig für King war, die Grausamkeit des Hauptcharakters früh einzuführen. (Da fällt mir doch gleich die erste Folge von House of Cards ein …) Es kann eben nicht darum gehen, den Leser oder den Hauptcharakter zu schonen. Und sich selber schon gar nicht, denn:

“Every character you create is partly you” (King)

Wie war das noch mit Voldemort, der Teile seiner Seele in Menschen und Dingen versteckt? So kommt mir das manchmal vor, als ob ich überall Teile meiner Seele in meinen Charakteren verstecken würde und natürlich Eigenschaften, Marotten, Stärken, Schwächen.

Der Charakter und das Selbst

Ich behaupte auch, dass ein guter Leser in der Lage ist, diese Dinge aus dem Text herauszulesen und es ist definitiv der Grund, warum einige Autoren (und übrigens auch Schauspieler) ablehnen, großartig über sich selbst zu reden, denn wer aufmerksam liest/zusieht, sollte eigentlich schon alles wissen. Meine Tochter behauptet, meine (weiblichen) Charaktere werden mir immer ähnlicher und wenn man bedenkt, dass ich am Anfang einen männlichen Protagonisten für meine Geschichte gewählt habe, dann ist das doch schon ein Fortschritt, oder? Allerdings ist das Erschaffen von Charakteren leider nicht so, als ob man ein Puzzle zusammensetzt, sondern eher, als ob man eine Art Frankenstein oder Pinocchio erschafft. Denn während man einen Charakter schmiedet, beginnt das Unvermeidliche: Diese verflixten Typen machen sich einfach selbstständig, wollen selber entscheiden.

Nach King ist das auch ganz richtig so:

“And if you do your job, your charakters will come to life and start doing stuff on their own.”

Mit dem beruhigenden Zusatz:

“I know that sounds a little creepy if you haven’t actually experienced it, but it’s terrific fun when it happens.”

Okay, fun. Nun schreibe ich zum ersten Mal eine Geschichte, in der die Perspektive wechselt (“Kissing more“) und auf einmal habe ich zwei Charaktere, die mit mir machen, was sie wollen. Ganz toll. Und natürlich haben sie unterschiedliche Vorstellungen von der Geschichte. Also, Mr. King, was mache ich mit meinen eigenwilligen Charakteren? 

“Sometimes they grow a little. If they grow a lot, they beginn to influence the course of the story instead of the other way around.”

Was man nach King verhindern muss. Aber es hat auch keinen Sinn, seine Figuren in der Gegend herum zu kommandieren. “Du studierst Germanistik, verstanden!” No way. Zumal ein sehr großer Teil in mir und damit auch in meinen Figuren sich einfach nichts sagen lässt. Also bleibt die Frage: Wer ist denn nun der Boss? King:

“I think that in the end, the story should always be the boss.”

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Stephen Kings “On Writing” #20 Dialoge

19. Dezember 2013
Dialoge

Plapperdiplapperdiplapp. Ich bin an einem meiner Lieblingsabschnitte von Stephen Kings “On Writing”: Dialoge. Was ich euch bisher verschwiegen habe: King spart in “On Writing” nicht mit Beispielen. Guten wie schlechten.

“When dialogue is right, we know. When it’s wrong we also – it jaks on the ear like a badly tuned musical instrument.” King

Lovecraft gilt als einer der einflussreichsten Autoren im Bereich der phantastischen Literatur (Wiki) und King sagt: Bad Dialogue. Okay, sein Beispiel überzeugt mich (und ich tue es euch nicht an). Interessant ist die Erklärung, die King für Lovecrafts Versagen findet: Nach King war er snobistisch und schüchtern und hatte keine Ahnung, wie Leute reden, da er zurückgezogen lebte.

Reden und Zuhören

Das sollte man wohl schon mögen, wenn man gute Dialoge schreiben möchte: Reden und Zuhören. Für mich bedeutet es vor allem – Aufschnappen. Ich erinnere mich, wie ich an einem Skateplatz vorbeifuhr und hörte, wie ein Typ sagte: “Das prangere ich an!” Ein Helge Schneider-Zitat, das Skateplatz-Slang geworden ist. Genial. Gemerkt, benutzt.

Starke Dialoge findet King bei Elmore Leonard. Weil sie glaubhaft sind, weil sie stimmig sind, weil sie zu den Charakteren, zu der Situation, zum Thema passen.

“As with all other aspects of fiction, the key to writing good dialog is honesty.” King

Aufrichtigkeit

Aufrichtigkeit. Für King, der, wie er sagt, täglich Briefe von erbosten Lesern bekommt, weil er seine Charaktere – fuck! – einfach sprechen lässt, ein wichtiger Punkt. Nur weil es bestimmte Leute stört, kann man einen Charakter nicht “Oh, sugar!” sagen lassen, wenn “Oh, shit!” richtiger wäre.

Guter Dialog beschreibt sowohl die soziale, als auch persönliche, als auch charakterlichen Eigenschaften der Figuren näher. Alles klar, der doppelte Salto mit der Schraube und dann noch ohne Spritzer ins Wasser. Wobei das wohl am besten gelingt, wenn man Protagonisten sprechen lässt in deren Welt oder Slang oder Umgebung oder Verfassung man sich einigermaßen auskennt. Damals, zur Preisverleihung von Radio Gaga, bin ich mit der ganzen Familie angereist. Zwei Erwachsene, drei Kinder. Zwei Töchter, ein Sohn, aber der hatte gerade schulterlange blonde Haare. Und ich wurde gefragt:

– “Wie können Sie denn aus der Perspektive eines Jungen (Rocco, in “Radio Gaga”) schreiben, wenn sie drei Töchter haben?”

Quelle:http://www.mbird.com/2011/11/the-gospel-according-to-peanuts-the-church-and-the-arts/Was für ein traumhafter Moment: Hier nehmen sie ihren Preis zurück und lassen sie mich in Ruhe. Aber man ist ja höflich. Und sicher habe ich auch meinem 12 jährigen Sohn nicht auf den Mund geschaut, um einen 16 jährigen Helden zu erfinden. Aber ich habe zwei Brüder und irgendwie ein Ohr für Jungs-Talk. “Ich scheiss die Wand an.” (Übersetzt: das ist ja irre! oder Ich glaub’s nicht)  Hätten meine Brüder früher nicht gesagt, wird aber heute gesagt. Hat mir übrigens meine Tochter erzählt. Und ich hab es mir – gemerkt.

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Stephen Kings “On Writing” #19 – Beschreibungen

8. Dezember 2013
Beschreibungen

So ist das also, wenn man sich ständig zu Gastbeiträgen überreden lässt, es leidet der eigene Blog. Nun, für die, die hier länger nicht vorbeigeschaut haben oder gerade zum ersten Mal hereinschauen: Ich bin immer noch oder eigentlich wieder bei Stephen King und seinem Buch “On Writing”. Genauer gesagt im Mittelteil. Lauter kleine Kapitel über die Kunst des Schreibens und jedes widmet sich einem Teilaspekt. Und nun bin ich hier: Kapitelchen 6: Description = Beschreibung.

Weil das nun mal ein Teil des Jobs ist, damit der Leser eine ungefähre Vorstellung von dem bekommt, was ich ihm erzählen will. Und wie mache ich das nun?

“It’s not just a question of how to, you see; it’s also a question of how much to.” (King)

Langeweile und Beschreibungen

Mir fällt eine kleine Geschichte ein. Letztens waren wir bei Freunden und redeten über Bücher. Die Freundin erzählte von einer schwedischen (?) Schauspielerin, die ein großartiges erstes Buch geschrieben hat, 400 Seiten, hochgelobt, besonders für seine Beschreibungen. Einen Krimi/Thriller und wie sehr ihr das Buch gefallen hätte. Und dann kam das zweite Buch, hatte 700 Seiten und sie konnte es nicht lesen. Was vorher so gelobt wurde – die Beschreibungen – war auf einmal zu viel, lauter Details, die sie nicht und eigentlich niemanden interessierten. Verdammt. Ich leide mit.

“In many cases when a reader puts a story aside because it ‘got boring,’ the boredom arose because the writer grew enchanted with his powers of description and lost sight of his priority, which is to keep the ball rolling.”  King

Allerdings gehöre ich zu der Sorte von Autoren, die eher zurückhaltend mit Beschreibungen sind. Ich hasse es nämlich auch als Leser, wenn meine ganze Vorstellungskraft totbeschrieben wird. Ich habe selber eine Vorstellung, lasst mir die bitte.

“The trick is to find a happy medium.” (King)

Für King besteht eine gute Beschreibung aus wenigen, gut gewählten Details, die für alles andere stehen.

“The key to good description begins with clear writing, the kind of writing that employes fresh images and simple vocabulary.”

Ich mag, dass er hier das Wort “simple” benutzt, etwas, was viele mit “einfach” übersetzen würden, was es natürlich genau nicht ist. “Clear writing” – auch so eine tolle Bezeichnung. Im Grunde macht King es hier schon vor: So, wie er das Schreiben beschreibt, so soll auch geschrieben werden. Und schon ist das Kapitel zuende. Ich hebe den Finger.

-“Ja, Sie dahinten mit der tiefen Stirnfalte?”

Klavier-“Äh, wie ist es mit Musik? Ich möchte so oft über Musik schreiben, und dass die Leser es … hören?”

– (Verärgertes Seufzen) ” It’s about the story and it’s always about the story.”

– “Ja, aber …”

– “Practise the art, always reminding yourself that your Job is to say what you see, and then to go on with your story.”

Schweigen. Okay, ich ersetze hier einfach mal “see” durch “hear”.

Dann ist doch alles ganz easy, oder?

 

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Stephen Kings “On Writing” #18 Schreibpausen

3. November 2013
Schreibpausen

Wenn ich einen Plan aufstelle, wie lange und oft ich schreiben will oder sogar noch weiter gehe und mir vornehme, wie viele Seiten ich täglich schreiben will, dann ist ziemlich sicher, dass ich eine Pause brauche.

Natürlich ist es ein verführerischer Gedanke, jeden Tag eine bestimmte Menge zu schreiben und dann mit diesem guten Gefühl vom Schreibort aufzustehen: Für heute alles geschafft. Na klar. So macht man 50 Jahre weiter und dann hat man endlich das Leben geschafft und – ja was? Egal wie stolz King auf sein Schreibpensum ist, ich behaupte (und etwas später in “On Writing” sagt King das auch) Schreibpausen sind enorm wichtig. Vielleicht sogar die allerwichtigsten Phasen im Schreibprozess. Nicht nur, wenn man ein Buch fertig geschrieben hat.

Urlaub

Ich war also sehr froh, als mich meine beste Freundin zu sich in die Provence eingelanden hat. Um es gleich zu sagen: Sie wohnt im Paradies. Ein Haus im Hinterland der Provence. Feigen-, Lorbeer- und Olivenbäume, Salbei, Thymian und Rosmarin im Garten. Ich lausche in die Natur, die leise raschelt, sonst nichts. Nachts keine Autos, schon gar keine Baustelle, noch nicht mal bellende Hunde wie im Ferienhaus in Italien.

Ich frage mich, ob ich hier ein Buch schreiben könnte? Viele Autoren ziehen in abgelegene Orte und schreiben. Ist das was für mich? Dann erinnere ich mich, dass ich eine zeitlang in Berlin in einem Haus mit einem riesigen Obstgarten gewohnt habe. Es ist ja nicht so, dass die Natur einen in Ruhe lässt. Im Grunde macht sie andauernd Vorschläge, was man in und mit ihr anstellen könnte. Äpfel ernten und Rasen mähen. Und hier, in einer der schönsten Gegenden Europas sind die Vorschläge erst recht unwiderstehlich.

Rastlos in der Ruhe

Eine Wanderung durch die Gegend zum Beispiel. Grandiose Aussicht, wilde Olivenbäume. Sollte man die Oliven vielleicht ernten, in Salzlake einlegen und seinen Freunden irgendwann zu Käse und Wein anbieten? Was ist mit den Feigen, die man wunderbar zu Marmelade kochen kann? Versteht mich richtig, ich sehne mich nicht danach, Oliven einzulegen oder Feigenmarmelade zu kochen, aber sich in einer solchen Gegend ins Haus zu setzen und auf seinem Laptop zu schreiben, kommt mir unanständig vor. Ich will die Buchten sehen, wo man schwimmen kann, das Licht erleben, die seltsam zerklüfteten Felsen in La Ciotat, in einem Restaurant im Hafen von Cassis essen, in einem kleinen Geschäft bei einem alten Franzosen selbstgemachten Pastis kaufen.

schreibpausenIch genieße die Schreibpause und gleichzeitig sauge ich Eindrücke auf. Ich weiß schon jetzt, dass eines meiner zukünftigen Bücher in dieser Gegend spielen wird. Warum nicht meine Heldin Oliven einlegen lassen? Dann kann ich mir vorstellen, wie sie das macht und irgendwie muss ich es dann auch gar nicht mehr selber tun. Schon nach einem Tag habe ich das Gefühl, in einer viel wichtigeren Phase, als einer meiner Schreibphasen zu sein. Ich tanke auf. Urlaub?

Kreative Schreibpausen

Wenn man kreativ arbeitet, dann gibt es keinen Urlaub. Denn genauso wenig wie man aufhört zu essen, hört man auf, Eindrücke aufzunehmen. Und im Grunde gibt es im kreativen Prozess auch keine Arbeit, denn wenn es sich nach Arbeit anfühlt, ist schon etwas falsch. Dann braucht man eine Pause. In einem abgelegenen Haus in der Provence begreife ich, dass ich mich gerade nicht etwa in einer Schreibpause befinde, sondern endlich wieder richtig angefangen habe zu schreiben. Auch wenn ich keinen einzigen Satz in meinem Laptop sichere.

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Stephen Kings “On Writing” #17 Plotten und planen

21. Oktober 2013
Plotten und Planen

In my view, stories and novels consist of three parts: narration, which moves the story from point A to point B and finally to point Z; description, which creates a sensory reality for the reader; and dialog, which brings charakters to life through their speech. You may wonder where plot is in all this. (King)

Plotten und Planen? Irgendwie nope. Yes, Stephen, I wonder. Besonders, weil ich gute Plots liebe und sehr gut darin bin, eine Story durchzuplanen. Kommt vielleicht daher, dass ich so viel für den Filmbereich geschrieben habe, wo der Plot einfach alles ist. Und nicht zu Unrecht. Habt ihr schon mal einen Film ohne richtigen Plot gesehen? Wo man sich ständig fragt: Sind wir (hoffentlich) am Ende der Geschichte oder geht das etwa noch weiter (so?).

Rhythmen

Mir hat mal jemand erzählt, dass man herausgefunden hat, dass Menschen einen bestimmten Aufmerksamkeitsrhythmus haben, der etwa 45 Minuten entspricht. Ja, genau, daher sind Schulstunden auch so lang oder kurz. Und zweimal 45 Minuten sind 90 Minuten, die durchschnittliche Länge eines Spielfilms oder Kinofilms, wobei die Regel hier auch gerne mal gebrochen wird. Es macht also Sinn, dass wir in einem Kinofilm etwa auf der Mitte einen Höhepunkt haben, damit die Zuschauer noch mal für den zweiten Teil motiviert werden, der dann mit mehr Tempo und einer Klimax endet. Gerne Verfolgungsjagd oder dramatisches Zueinanderfinden der Liebenden.

Plotten?

FotoOkay, warum also plottet King nicht? Er nennt zwei Gründe, weshalb er dem Plot misstraut: 1. Das Leben ist plotless 2. Planen und die Spontanität des Kreativen sind nicht miteinander zu vereinbaren.

Humpf … NEIN. Ich widerspreche mal wieder. Das Leben ist plotless? Nun ja. Man könnte genau das Gegenteil sagen: Das Leben ist ziemlich geplant. Wir werden alle auf die gleiche Art (plus minus) geboren, laufen etwa mit einem Jahr, krabbeln vorher (nicht nachher), sprechen dann, lernen zu lesen und zu schreiben, gehen dann eine Beziehung ein (und bitte nicht vorher), bekommen danach Kinder und so weiter.

Lebensplan

Also warum so tun, als ob wir orientierungslos durchs Leben stolpern? Es gibt immer einen biologischen Plan und es gibt sicher auch  einen “inneren Plan”. Ich hatte den zumindest. Ich wollte IMMER Malerin werden. Und Kinder haben. Der Plan hätte missglücken können, aber ich sehe auch nicht ein, warum es besser gewesen wäre oder kreativer, wenn ich planlos eine Bankangestellte mit zwei Katzen geworden wäre.

Ich weiß natürlich, was King meint und warum er das Plotten so vehement ablehnt. Wer der Sklave seines eigenen Plans wird und alles minutiös durchorganisiert, dem fehlt am Ende das Lebendige und das wird auch seinem Buch fehlen.Wie arbeitet King also plotless? (Klingt schon fast wie ein Buchtitel …)

Plotless

Für King kommt zuerst die Situation, also eine Art Bild, das ihn zu der Geschichte motiviert. Dann kommen die Charaktere, die er frei handeln lässt und die ihm den Verlauf der Geschichte erzählen. Die Geschichte formt sich also durch das Handeln der Figuren, denen man wiederum folgt. Ich kenne und mag die Technik und am erstaunlichsten ist: Sie funktioniert! Ich halte diese Technik allerdings für sehr fortgeschritten, denn wenn ein Laie sie versucht, endet das meist bei 1000 eher diffus vollgeschriebenen Seiten, die dann mindestens um die Hälfte gekürzt werden müssen. Und ganz aufrichtig ist King auch nicht. Wenn ich ihn etwas kritischer betrachte (was ja immer schwer ist, wenn man jemanden anfängt zu bewundern), dann finde ich seine Schreibroutine – ihr erinnert euch, 1000 Wörter am Tag, immer an der gleichen Stelle arbeiten – schon sehr geplant.

Dann ist mir mein Plan lieber, den ich dann ja auch gerne mal über den Haufen werfe, wenn etwas Besseres auftaucht. Und wenn mir die Inspiration fehlt, dann lasse ich meine Figuren nicht herumirren, sondern stehe auf und mache etwas anderes. Denn letztendlich sind meine Figuren an mich gebunden und es ist nicht so, dass sie wunderbare Dinge tun, wenn ich nicht in der Stimmung dazu bin. Kann ich auf Kings Ratschläge also in Zukunft verzichten? Nein, das will ich nicht. Denn am Ende von Kings etwas chaotischen (oder schlecht geplanten?) Artikels liegen wir uns wieder in den Armen. Da es King beim Schreiben vor allem darum geht, etwas Neues zu erschaffen. Und – hier stimme ich absolut zu – etwas Neues entsteht nur dort, wo es keinen Plan und keine eindeutige Richtung gibt.

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Stephen Kings “On Writing” #16 Inhalte

16. Oktober 2013
Inhalte

Jetzt ist es also doch passiert. Ich hatte mir fest vorgenommen, mich nicht darum zu kümmern, wie groß die Pausen zwischen meinen Blogbeiträgen sind, aber nun fühle ich mich so wie jemand, der täglich die Enten füttert und dann? Nein, ihr seid natürlich nicht die Enten!

Doch bevor ich noch weiter vom Thema abkomme, zurück zu King und Inhalten, dem nächsten Kapitel in “On Writing”. Ich staune wirklich, dass King sich an dieses Thema wagt. Für mich hat es eigentlich nichts mehr mit “Über das Schreiben” zu tun. Es ist so, als würde man über Krankheiten und gesunde Nahrung reden und dann plötzlich: Der Mensch! Ja, was? Jeder ist so, wie er ist. Jeder schreibt das, was er kann/mag/will? Aber ich folge hier einfach mal King und seinen Gedanken.

What are you going to write about? Anything you damm well want. Anything at all … as long as you tell the truth.

Wahrheit und Aufrichtigkeit

Die Wahrheit oder: mit Aufrichtigkeit. Vermutlich der schwerste Rat. In Schreibkursen hört man gerne: Schreib über etwas, mit dem du dich auskennst. Nun, äh, Vampire, Trolle, Hobbits, Zauberer? Hallo? Da wäre Vieles nicht entstanden. Viel besser ist Kings Rat: Schreib, was du selbst gerne liest. Für mich gilt das auf jeden Fall. Ich habe schon als Kind am liebsten realistische Geschichten gelesen, weil ich mich mit ihnen am besten identifizieren konnte. Sobald ein Drache oder Zauberer vorkam, war ich frustriert, weil ich mich ausgeschlossen  fühlte. Ich wollte immer das Gefühl haben, die Geschichte könnte direkt neben mir, sofort, in diesem Moment geschehen. Schon historische Romane waren mir zu weit weg.

Schreib, was du gerne liest

Also, schreib, was du gerne liest. King warnt davor – weil es nicht funktioniert – etwas zu schreiben, um anderen zu imponieren, Geld zu verdienen oder weil andere es schon erfolgreich vor dir getan haben. Ich bin nicht so sicher, ob er da recht hat. In gewisserweise funktioniert es nämlich schon. Also kommerziell. Wir kennen alle die Nachfolgeromane von großen Erfolgsgeschichten.

Und es ist sympathisch an King, dass er dieses Nach-dem-Trends-Schreiben komplett ablehnt. Wobei er weiß, dass er zu den Autoren zählt, denen man genau das, also ein Nach-dem Trend-Schreibe oder auch nach Rezept schreiben unterstellt, da er mit schöner Regelmäßigkeit Bestseller produziert. Mich beeindruckt vor allem die konstante Zuverlässigkeit mit der er sie schreibt. Mal ein Bestseller, okay, das kann auch einfach Glück sein, aber jedes der Bücher so erfolgreich? Der Wahnsinn. Kings Rezept:

Write what you like, then imbue it with life and make it unique by blending in your own personal knowledge of life, friendship, relationship, sex, and work.

Erfahrungen

Genau: Erfahrungen. Ich liebe es, Bücher von Menschen zu lesen, die viel erlebt haben. Sie können mir vermutlich alles erzählen, auch Feen- oder Trollgeschichten, da ihre Lebenserfahrung auch bei diesen Themen durchscheint. Daher vielleicht ein Rat, wenn jemand nicht weiß, was er schreiben soll: Erlebe doch erst einmal etwas, über das es sich zu schreiben lohnt. Von mir aus auch: Eigne dir etwas an, über das es sich zu schreiben lohnt. Oder mit King:

What you know makes you unique in some other way. Be brave. Map the enemy’s positions, come back, tell us all you know.

Jetzt weiß ich auch, was ich den Enten sage: Irgendwann muss ich das Brot ja schließlich auch mal hart werden lassen, um euch zu füttern? Klar soweit?!

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Stephen Kings “On Writing” #15 Schreiborte

8. Oktober 2013
Schreiborte

Im nächsten Abschnitt widmet King sich dem Thema: Schreiborte. Seine Meinung: Du brauchst einen bescheidenen, ruhigen, abgeschiedenen Schreibplatz in deiner eigenen Wohnung/Haus, an dem du täglich idealerweise acht Stunden in völliger Abeschiedenheit schreiben kannst. Okay.

Natürlich, seine Argumente leuchten vollkommen ein. Keine Ablenkung, die Tür geschlossen, kein Schnickschnack im Raum. Wie sonst sollte man es schaffen, über Stunden zu schreiben? Und das ist nötig, um Wort für Wort auf die Seite zu bringen und Seite um Seite für ein Buch zu füllen. Am besten setzt man sich für die Zeit am Schreibplatz auch gleich ein Schreibziel. Bei ihm sind es 1000 Wörter am Tag und das mindestens sechs Tage die Woche.*Hust*. Ich muss ihm hier zum ersten Mal ausdrücklich widersprechen, denn mit dieser Einstellung hätte ich kein einziges meiner Bücher geschrieben. Ich sage nur: Fay Weldon und der Küchentisch.

Im Zug

CompLetzte Woche bin ich nach Köln gefahren. Ich leiste mir die 1. Klasse, weil ich dort einen ruhigen Sitz habe, klappe das Tablett vor mir herunter und schreibe. Ende. Ich komme an, ich übernachte bei meiner Cousine, am Abend schreibe ich auf dem Gästebett. Am nächsten Tag nach Hamburg, ich schreibe im Zug.

Aber nicht nur, wenn ich unterwegs bin. Ich schreibe zu Hause gerne auf dem Bett. Der Platz ist nicht sehr ruhig, es ist jedem erlaubt, mich zu stören und besonders unsere Katze macht reichlich Gebrauch davon. Und ich habe noch nicht von den Mails oder Telefonanrufen gesprochen, die meine Arbeit unterbrechen, der Haustürklingel oder Hundespaziergängen.

Würde ich mehr schreiben, wenn ich Kings Schreibklause hätte? Vermutlich. Würde ich besser schreiben? Nein. Ich gebe zu, manchmal nerven die Unterbrechungen. Den Paketmann hätte ich schon des Öfteren gerne ermordet. Und natürlich stört es, wenn mitten im Schreiben ein Problem auftaucht, für das ich meine Arbeit länger unterbrechen muss, der Boiler tropft oder das kranke Kind von der Schule abgeholt werden muss. (Und gerade fällt mir die Wäsche in der Waschmaschine ein, die ich noch aufhängen muss).

Schreibhaus

Ich denke an Cornelia Funke und ihr Schreibhaus in L.A. In das ihr Mann ihr (als er noch lebte) immer ein Tässchen Tee gebracht hat. Traumhaft! Und ich denke an Lauren Olivier, von der ich irgendwo gelesen habe, dass sie ständig in ihr Handy schreibt und sich dann die Texte zumailt. (Ich habe es versucht, es macht mich wahnsinnig.) Ich könnte jetzt sagen, man merkt den Texten von Funke die behäbige Wohligkeit des Scheibhauses oder den Büchern von  Olivier die nervöse Unkonzentriertheit des ununterbrochenen Schreibens an jedem Ort an.

Denken und schreiben

Aber naaaa. So weit will ich gar nicht gehen. Ich will nur sagen, beide sind Bestseller-Autoren und finden begeisterte Leser. Alles ist erlaubt, wenn es für dich funktioniert. Denn eine Sache lässt King vollkommen außen vor: Was ist mit den Zeiten, an denen ein Autor zwar nicht schreibt, aber über das, was er schreiben möchte, nachdenkt. Mir kommt es manchmal so vor, als würden diese Zeiträume den größten Teil meiner “Schreibzeit” einnehmen.

Da ich nicht an das Starren auf das weiße Papier glaube, gehe ich in solchen Zeiten mit dem Hund spazieren oder hänge Wäsche auf oder mache etwas anderes, bei dem ich gut nachdenken kann.

You need the room, you need the door, and you need the determination to shut the door. (King)

Verstehe. Aber dieser Raum muss nicht physikalisch vorhanden sein. Das habe ich mittlerweile begriffen. Weshalb niemand, der mich auf einem Spaziergang trifft, erwarten sollte, dass ich ihn erkenne oder grüße, denn – sorry – dann ist meine Tür geschlossen.

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Stephen Kings “On Writing” #14 Schreibpensum

28. September 2013
Lese – und Schreibpensum

Schreib viel, lies viel. Aber was ist viel? Wie groß sollte das Lese- und das Schreibpensum sein? Lies viel, okay, im Grunde so viel wie möglich und 1000 Bücher ist da mal eine Hausnummer. Und ein gewisser Anteil von Büchern, die in unserem Land/Welt als Kulturgut gelten, erscheint mir sinnvoll. (Leider hat die Schule großen Anteil daran, dass diese Bücher von den meisten Menschen nach der Schulzeit nie wieder angesehen werden)

Schreibpensum

SchreibUnd wie viel sollte man schreiben? Natürlich war dieser Abschnitt für mich einer der spannensten in “OnWriting”. Und – wieviel schreibt man? Wieviel schreibt King? Und King hat sich das auch gefragt: Wieviel schreiben eigentlich die anderen?

Um es gleich vorweg zu sagen: Da gehen die meinungen weit auseinander. Von wenigen Wörtern am Tag bis zu ganzen Büchern in einer Nacht. Also wieder einmal so eine Frage, die nur ganz individuell beantwortet werden kann. Um zwei Beispiele zu nennen, die King anführt: James Joyes, der am Abend über seinem Schreibtisch zusammenbricht, weil er die 7 Wörter, die er am Tag zu Papier gebracht hat noch nicht richtig sortiert hat und dann jemand wie Anthony Trollop, der 47 gigantisch fette Büchern geschrieben hat. Mit stoischer Regelmäßigkeit. Er schrieb morgens zwei Stunden vor seiner Arbeit als Postangestellter und es gibt das Gerücht, dass er mitten im Satz abbrach, wenn die Schreibzeit um war. Oder nehmen wir John Creasey, der über 600 Bücher unter zehn verschiedenen Namen geschrieben hat. WHAT? Gut, dem Thema Pseudonyme würde ich mich gerne noch mal in einem Extrablogbetrag widmen, aber 6 HUNDERT?

Nun, es gilt ja nicht: je mehr, desto besser. Denn klar, wenn man vorhat, Weltliteratur zu schreiben, dann wird man weder viele Pseudonyme verwenden, noch Bücher wie Popcorn produzieren. Und was ist mit dir Stephen?

Kings Schreibroutine

King hat, wie er selber sagt, eine klare Tageseinteilung und damit auch Schreibroutine: Geschrieben wird am Morgen, Nachmittags Mittagschläfchen und Briefe (Mail?), Abends Familie, lesen oder Überarbeitungen, die dringend sind. Er schreibt an einem Projekt am liebsten so intensiv wie möglich, täglich, bis es vollendet ist. Ich weiß, was er meint, große Pausen machen es schwer, wieder in das Schreiben zu kommen, wobei ich damit gute Erfahrungen habe, da ich oft mehrere Projekte parallel bearbeite. (Wir Frauen sind einfach Muli-Tasker …) Ich weiß aber, was er meint, wenn ein Buch ein gewisses Stadium erreicht, dann ist es gut, wenn man nicht mehr loslässt und es in einem Schwung vollendet.

Wie viele Seiten?

Auch schön zu lesen: King schreibt etwa 10 Seiten am Tag, was genau mein Pensum ist, wenn ich gut in der Arbeit bin. Das kann ich nicht jeden Tag erwarten. Besonders, wenn ich an dramaturgische Übergänge komme, fühle ich mich wie ein Rennfahrer in der Kurve. Es ist gut, dann etwas Tempo herauszunehmen, wenn man nicht über die Leitplanke segeln will, was bedeutet, dass man für Wochen aus seinem Schreibrhythmus kommt.

Arbeitsatmosphäre

Angesichts der Tatsache, dass gerade eine Baustelle vor meinem Haus ist, ein wichtiger Punkt. Natürlich wünscht man sich Ruhe und Konzentration, die King eindeutig empfiehlt. Auf der anderen Seite – wohl wieder ein weibliches Phänomen – erinnere ich mich an ein Interview mit Fay Weldon, in dem sie erzählte, dass sie ihre Bücher am Küchentisch schrieb, während ihre drei kleinen Söhne um sie herumkrabbelten. Tja …

Nicht zufällig sind ihre Bücher voller ironischer Seitenblicke auf die Mann-Frau-Beziehung. King dagegen sagt ganz offen, dass er seinem Erfolg der Ehe und seiner (überwiegend vorhandenen) Gesundheit verdankt:

And I believe, the converse is also true: that my writing an the pleasure I take in it have contributed to the stability of my health and my home life.

Da kann ich allerdings nur voll und ganz zustimmen.