#33 Frauen

33 Frauen – #5 Madonna Louise Ciccone

8. Juli 2021
Madonna #33 Frauen bold
chrisweger - Madonna Rebel Heart Tour 2015 - Stockholm
Madonna Louise Ciccone – oder einfach Madonna

Vielleicht ist das jetzt eine Überraschung. Madonna! Ausgerechnet?

Ja, absolut. Und in der Ecke meines ICH, in der Madonna lebt, ist noch viel mehr: Klunker und Klimper, Trash und Punk, Cowboyboots und Country Music, Trivalkunst und rosa Lippenstift, Champagner und auch mein Rebel-ICH.

Like a Virgin

Das erste Mal habe ich Madonna Mitte der 80er Jahre wahrgenommen. Nach der Zeit der Hausbesetzung und dem Scheitern einer Künstler-WG, als ich in einer Fabriketage in Kreuzberg gestrandet bin.

Damals habe ich mir die erste Platte von ihr geholt. Ich wusste, es beginnt eine neue Phase in meinem Leben, eine, bei der ich mich nur und hauptsächlich auf mich selbst werde verlassen müssen.

Platten kaufen war in dem unsicheren Lifestyle damals, ohne eigenes Zimmer und Plattenspieler, ohne viel Ballast (vieles war bei der Räumung des besetzten Hauses verloren gegangen), eigentlich keine Option. Musik war noch nicht digital verfügbar, aber das war nicht der Punkt. Was mich bewog, die Platte anzuschaffen, war – das Cover.

Ich mochte den Vintage-Look, aber vor allem diesen leicht provokanten Blick von Madonna. Dass sie überhaupt auf dem Cover ihrer LP war, sich so inszenierte.
Angepisst und lasziv zugleich. Perfekte Balance. Die Musik war poppig, doch da war noch etwas anderes. Etwas Lautes.

Eine Frau, die provokant und punkig und glamourös war. Irgendwie alles zugleich. Und das war in den 80ern nicht selbstverständlich.

Gelebte Freiheit

Auf einmal war Madonna überall – jedenfalls für mich. Mir ging es nicht gut und ich musste mich richtig überreden, mir etwas Gutes zu tun. Leicht und hoffentlich unterhaltsam. Ins Kino zu gehen. Irgendwo am KuDamm.

So landete ich in dem Film: Deseperately Seeking Susan. Ein netter Independent-Film, der durch den Auftritt von Madonna auf einmal ein Weltereignis wurde. Umgeschnitten und angepasst auf den aufstrebenden Popstar. Und das Video zu dem Song Material Girl wurde einfach als Vorfilm gebracht. Spielfilme sind keine Realität, aber manchmal kommen sie der Realität so nah, dass ein Film sich wie eine eigene Vision anfühlen kann. Er weckte mich aus meinem Trauerzustand, elektrisierte mich. Ich kann, darf leben! So, wie ich will.

Der ganze Film kam mir wie ein Musikvideo vor, in einer Zeit, in der Musikvideos gerade erst aufkamen. Der vielleicht einzige Film, für den Madonna gelobt wurde, dabei war sie – einfach nur sie selbst.

Material Girl

Und was sang sie da überhaupt?

Some boys kiss me
Some boys hug me
I think they’re ok
If they don’t give me proper credit
I just walk away
They can beg and they can plead
But they can’t see the light (that’s right)
‘Cause the boy with the cold hard cash
Is always Mister Right
‘Cause we are living in a material world
And I am a material girl

(aus: Madonna Material Girl. Songwriter: Peter Brown / Robert Rans)

In ihren Songs ging es um Männer – aber irgendwie auch nicht. Männer wurden nicht angehimmelt oder verehrt, geliebt und bewundert, sondern entlarvt.

I’m not afraid to fall a hundred times

And I’ll believe in all your silly lies

I’d like to think that I could change your mind

Don’t say that I am blind, I know all about your kind

He’s a pretender, yeah you meet him every day.

He’s a pretender, that fish that got away.

He’s a pretender, why’d I fall in love

(Madonna Pretender:Songwriter: Billy Steinberg / Tom Kelly)

Musikerinnen in den 80ern

Wenn sie sich am Anfang scheinbar dem Klischee von einem Popsternchen anpasste und auch die üblichen Love Songs sang, dann gab es doch einen kleinen Shift. Etwas, was sie näher an Patti Smith, Annie Lennox oder Björk rückte: Selbstbewusstsein, Stärke/Power, Eigensinn.

Patti Smith, Annie Lennox oder Björk – gefielen mir damals sehr. Ich erinnere mich an Björk, schwanger auf der Bühne, mit ihrer Band den Sugarcubes.

Doch diese Musikerinnen waren androgyner. Letztendlich unsichtbarer für Männer, weniger provokant, weniger … weiblich. Ein Trick, eine Möglichkeit, sich gegen Angriffe und Übergriffe zu wehren. Aber ich wollte nicht ausweichen. Und genau das sah ich bei Madonna.

Weiblichkeit

Die Art, wie Madonna zu ihrer Weiblichkeit stand, war neu. Ein Mix aus Weiblichkeit, Verführung, Provokation und Gesellschaftskritik. Ein unmöglicher Mix – fanden einige.

  • In 1989, she starred in a Pepsi commercial that was pulled because of controversy over the music video for “Like a Prayer,” which featured burning crosses and showed Madonna kissing a black actor portraying a saint.
  • Madonna was paid $5 million for her Pepsi commercial, which aired on March 2, 1989, during NBC’s “The Cosby Show.
  • The problem came the next day, when the music video premiered for “Like a Prayer.” The video included stigmata and other religious imagery. (Quelle)

Hätte sie das nicht vorausahnen können? Sich anpassen? Das, was man von Frauen eigentlich immer erwartet? Und das ist das, was ich an Madonna wirklich mag. Sie passt sich nicht an. Sie macht einfach.

Madonna ist die Herrscherin ihrer künstlerischen Aussagen. Sie ist die Queen ihres Imperiums, immer Verkünderin der eigenen Botschaft.

Trotzdem war Madonna nicht ganz allein in diesem Universum. Debbie Harry, Blondie oder Cindy Lauper hatten einen ähnlichen Look wie Madonna. Blonde Haare, rote Lippen, riesige Ohrringe. Dazu waren sie noch gute Sängerinnen, die auch schauspielern konnten, wenn es nötig war. Was Madonna ihnen voraus hatte und hat, ist ihre Performance. Und auch das faszinierte mich. Der Auftritt. Die Show. Ihre Art, jeden Auftritt in einen Event zu verwandeln, bei dem Tanz, Choreographie, Licht, Musik und ihre eigene Performance praktisch gleichwertig nebeneinander stehen.

Szenographie

Dass Madonna nicht singen kann, darüber waren sich die Musikkritiker:innen früh einig. So what? Madonna kam ursprünglich von Tanz, sie konnte tanzen. Jedes Konzert ist ein Statement. Und Madonna die Königin dieses Universums, das gar nicht so oberflächlich ist, wie es auf den ersten Blick wirken könnte. Denn Madonna nimmt von Anfang an Haltung ein: Ist provokant wie die Rock’n´Roller der 60er, die Rocksänger, der 70er, die Punks der 80er.

Outfit, Bühnenshow, Gestik, die Art, wie getanzt oder verformt wird, das alles ist die Botschaft. Irgendwie ist es gar nicht mehr so wichtig, wie gut sie singt. Die Energie auf der Bühne, der Zusammenhalt ihrer Crew, der ganze Event – ist Szenografie – ist Kunst.

Feminsimus

Dazu kommen starke feministische Aussagen, die sich erstaunlich gut mit Korsagen und Spitz-BHs, mit Sadomasochismus und sexuellen Gesten vertragen. Madonna – eine Feministin der dritten Generation.

Ihre Bühnenshows und Videos schließen androgyne Menschen, Transsexuellen und Drag Queens ein. Und ihre größte und erste Community hat sie in der Gay-Community (ähnlich wie Lady Gaga) gefunden.

Making Of Madonna

Madonna kritisiert alte Rollenbilder, Intoleranz, die Kirche. In ihren Auftritten waren vulgäre oder anzügliche Gesten Teil der Provokation und gleichzeitig gelebte Freiheit. Ich kann tun, was ich will. Ich war noch nie in einem Madonna-Konzert. Alle Auftritte von ihr kenne ich aus Musikvideos oder später aufgezeichneten Bühnenshows und das ist vollkommen okay so. Ich will nicht das Fangirl vor der Bühne im Publikum sein, sondern wäre lieber hinter der Bühne. Ich wüsste gerne, wie dieses Maschinerie funktioniert. Und auch das hat mir Madonna gegeben.

In Bed with Madonna (AT Madonna: Truth or Dare) ist ein Dokumentarfilm, der während ihrer Blond Ambition World Tour (April bis August 1990) von Alek Keshishian und Mark Aldo Miceli teilweise in Farbe und teilweise in Schwarzweiß gedreht wurde.

Die Bühnenauftritte in Farbe, das Leben danach und davor in Schwarz-Weiß. Und für mich ist es so: Ihr Leben wird erst auf der Bühne bunt und aufregend und Madonna privat, ihre Ehen und Kinder, ihre Erziehung und ihr Glaube an Katholizismus und Kabbala haben mich nie wirklich interessiert.

Und obwohl ich faszinierend finde, wie viele künstlerische Seiten sie neben dem Tanzen und Singen und Performen ausgelebt hat, inspirieren mich ihre Versuche in diesen Bereichen wenig.

Madonna Fakts
  • Madonnas Mutter starb 1963 im Alter von 30 Jahren an Brustkrebs, sie war zu dem Zeitpunkt fünf.
  • Der US-amerikanische Fernsehsender VH1 kürte sie 2012 zur Greatest Woman in Music.
  • An der High School gehörte sie zu den besten zwei Prozent mit einem IQ von 140
  • 2020 wurde sie vom Billboard-Magazin zum größten Music Video Artist „aller Zeiten“ gekürt.
  • Madonna begann eine Tanzausbildung an der University of Michigan, brach sie jedoch ab.
  • Laut Time-Magazine gehört sie zu den 25 mächtigsten Frauen des vergangenen Jahrhunderts.
  • Das Rolling Stone Magazin nennt ihre Blond Ambition Tour (1990) „die großartigste Konzerttour der 90er-Jahre.“
  • Sie ist die kommerziell erfolgreichste Sängerin der Welt und auf Platz 4 der weltweit erfolgreichsten Interpreten.
Madonna forever

In den achtziger Jahren war noch nicht vorauszusehen, ob Madonna nur ein kurzer Pop-Komet sein würde, der mal eben vorüber schweift oder ob sie bleiben würde, ein Fixstern am Himmel des Musikgeschäfts. Und in gewisser Weise bin ich stolz, dass ich sie mir als Leitstern für bestimmte Ziele in meinem Leben erwählt habe, denn sie ist immer noch  – da.

Lange bevor ich Drehbücher oder Bücher geschrieben habe oder im Filmbusiness arbeitete, hat mich beeindruckt, wie stimmig das Gesamtpaket, die Marke Madonna, ist

Mit dieser wilden Mischung von Stilen und Auftritten, Ansichten und Kostümen, Freund:innen und Fangruppen ist mir Madonna ganz nah. Und auch mit dem Wunsch, sich nicht festzulegen.

Von Madonna habe ich gelernt, dass es geht: etliche Facetten zu zeigen und trotzdem eine Haltung einzunehmen. Unkonventionell, laut, zickig, aber auch feministisch, engagiert und emphatisch zu sein. Im Grunde: Das zu sein, was man gerade sein möchte. Egal, was anderes von einem Denken oder worauf sie dich gerne festlegen wollen.

#Bold

Kurz: Wenn ich mir eine große Schwester auswählen könnte, wäre es Madonna.

Du hast mir viel beigebracht. Thank u.

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